|
samstag,
25. dezember 04
nicht
mehr ganz im alten...auf der schwelle zum neuen. noch in der luft.
unterwegs. sind wir das denn nicht immer?????
...und
nur im bejahen dieses zustandes ist glückseligkeit möglich...
freitag,
24. dezember 04
heiligabend.
ruhe vor dem sturm. alles ist bereit. ausser dem essen, dass ich
zu meinen freundInnen mitbringe. habe aufgeräumt, geputzt und
fühle mich bereit. bereit wozu? für das neue, das kommt. das
jahreshoroskop, das luisa francia jeweils macht, tönt für mich
als zwilling sehr optimistisch und ich bin gespannt, was das neue
jahr bereithält. nicht, dass ich mich in erwartungen aufhalte,
nein, ich will einfach nehmen, wie es kommt. als ich vor ein paar
tagen mit einem lieben freund telefonierte, sagte ich: "jetzt
bin ich bereit, auf der sonnenseite zu leben. ich habe genug
gelitten, jetzt habe ich gutes 'zu gut'." zwar habe ich es
einfach so von der leber weg mit humorvollem ton gesagt, aber
hintennach habe ich gespürt, dass ich das auch glaube, glauben
will. nicht, dass ich da irgendwie an göttliche buchhaltung
denke, eher so, dass ich mich dem guten und beglückenden leben
(ja, das gibt es eben auch, neben den 'nicht beeinflussbaren' -
oder doch beeinflussten karmischen? - schicksalsschlägen) auftun
will. glauben will, glaube, dass es eben auch von meiner haltung
dem leben gegenüber abhängt, wie es mir geht, oder wie ich mit
dem was da ist, umgehe!!!??? ich freue mich nun auf die tage mit
freunden und auch auf die paar tage in der hütte (auch mit lieben
leuten). und dann, am ersten januar, auf die schwitzhütte!!! ich
wünsche allen leserInnen ebenfalls gute aufbruchstimmung und eine
gute zeit der übergänge und der wandlung!
wer
luisas horoskop lesen will, klicke auf:
http://www.salamandra.de/mondocane/template.php?nummer=20
montag,
20. dezember 04
als
ich durch den wald spazierte und zwei dekorierte tannenbäume sah,
überfielen mich erinnerungen. im frühling vor bald drei jahren,
nachdem lars weihnachten mit christbaum wirklich zum ersten mal
sehr bewusst erlebt hatte, war kein tannenbäumli mehr vor ihm
sicher: in liebevoller fleissarbeit dekorierte er sie mit schönen
blättern, mit efeugirlanden, mit allem, was der wald hergab. die
hingabe seines tuns war so berührend, und die erinnerung daran im
ersten moment wie eine keule. erinnerungen - dämonen? engel?
mir
ist einmal mehr bewusst geworden, dass ich es selber in der hand
habe, was ich mit ihnen, den erinnerungen, anstellen will. zuerst
habe ich einfach den tiefen schmerz gespürt, als ich mich
unvermittelt daran erinnerte, dass ich mit lars keine
tannenbäumli mehr würde dekorieren können. mit ihm auch keine
lieder mehr unter den kleinen tannen singen würde. schmerz.
trauer. einmal mehr! nicht unbekannt, aber doch jedesmal wieder
anders. das vermissen auch dieser einzigartigen liebe, die ich so
- in dieser selbstlosen hingebungsvollen art - bisher nur in der
beziehung zu lars erlebt habe: mutterliebe eben! dann hinsehen:
will ich mich von der erinnerung runterziehen lassen oder will ich
mich nicht besser freuen daran, dass ich es überhaupt erlebt
habe? das ich lars gekannt habe?
Und
er lachte wieder. „Und wenn du dich getröstet hast (man tröstet
sich immer), wirst du: froh sein, mich gekannt zu haben. Du wirst
immer mein Freund sein. Du wirst Lust haben, mit mir zu lachen.
Und du wirst manchmal dein Fenster öffnen, gerade so, zum Vergnügen...
Und deine Freunde werden sehr erstaunt sein, wenn sie sehen, dass
du den Himmel anblickst und lachst. Dann wirst du ihnen sagen:
,Ja, die Sterne, die bringen mich immer zum Lachen!’“ Und sie
werden dich für verrückt halten. Ich werde dir einen hübschen
Streich gespielt haben...."
Antoine
de St. Éxupéry im 'Kleinen Prinzen'.
montag,
13. dezember 04
die
nebeldecke kann einer schon zusetzen! seit tagen, seit ich wusste,
dass ich mich am sonntag mit salomé* irgendwo treffen würde,
spürte ich das berner oberland rufen! diese gegend, die ich bis
vor anderthalb jahren vor der haustüre hatte und oftmals mit
claudio* und lars abgewandert bin: sie sollte nun endlich 'neu
gefüllt' werden mit 'neuen erfahrungen'. ich habe salomé im
emmental, wo sie gemeinsame freundInnen besucht hatte, abgeholt.
bereits nach burgdorf fuhr ich durch eine zauberhafte
rauhreifbehangene wunderwelt. dieses wechselspiel von sonne und
sich auflösendem nebel. atemberaubend...!!!!
gemeinsam
sind wir durchs emmental richtung thunersee gefahren. wir sind
schliesslich von steffisburg her ins tal 'gestiegen' und waren von
langenegg an (oder so?) wieder in der nebelsuppe, was mich überrascht
hatte.... und da - als wir durch steffisburg fuhren - zog es mich
an die erlenstrasse. ich wollte ganz unerwartet salomé* 'unser'
altes, neugebautes haus zeigen. erstaunlich: man sieht absolut
nichts mehr vom unglück. sie meinte, dass das irgendwie gut sei:
dass sich die besitzer nicht von der handlung eines einzelnen
abhalten liessen, ihre vorstellungen auszuführen, nämlich da ein
haus, so und so gebaut, haben zu wollen. so habe ich es noch gar
nie gesehen....
schliesslich
fuhren wir richtung beatenbucht, weil ich einfach so ein reissen
nach dem beatenberg hatte. unterwegs: dicker nebel! und dann die
enttäuschung: die bahn ist in revision (bis juni 05). was tun?
mich eine runde nerven! und dann halt über unterseen der strasse
nach rauf? gesagt, getan! durch den nebel brechen! sonne!!! trotz bisschen stau
hat es sich gelohnt!!!!
 
oben
angekommen, habe ich es so richtig aufgesogen und sehr tief
wahrgenommen, diesen berg mit seinem traumhaften panorama anders
zu füllen: mit salomé*, statt mit claudio* da zu sein... aber auch: ohne lars! das war schon gewöhnungsbedürftig!!! wir sind
bis zum letzten alpenglühen da oben gewesen, manchmal einfach
nur in die stille hineinhorchend und staunend über die schönheit
und klarheit dieser uralten alpenwelt!

...und
zuhause erwartet mich mein kleiner kater lio, der sich in meinem altar eingenistet hat!
noch
was zu weihnachten: "wirkliches
schenken hat(te) sein glück in der imagination des glücks des
beschenkten.
es heisst wählen, zeit aufwenden, aus seinem weg gehen, den
anderen als subjekt denken: das gegenteil von vergesslichkeit!"
sagte theodor w. adorno in 'minima moralia'
freitag,
10. dezember 04
es
weihnachtet und viele fragen mich, wie es ist, meine zweite
weihnacht ohne lars zu feiern.
tatsache
ist, dass ich schon immer eine ziemliche weihnachtsmuffelin war.
auf der anderen seite ist es aber auch eine zeit, wo ich nicht
gerne alleine bin. und zum dritten merke ich, wie mir der
geschenke-virus jedes jahr mehr auf die nerven geht.... tja. was
tun? ich verbringe die weihnachts- und altjahrstage bei
freundInnen mit und ohne kindern und werde NUR symbolische
geschenke mitbringen... geschichten... mich... nix materie....
denn ich kann ja nicht wasser1
trinken, wenn ich wein1
predige... merke einfach, dass ich mich nicht mehr einfach immer
anpassen kann, wenn mir etwas nicht entspricht. und so werde ich
kreativ und suche neue authentische wege für mich... zum
beispiel zum stichwort 'materielles schenken': das kann ich ja
dann wieder das ganze jahr, spontan, wie immer.... ;-) schenken
komme von ausschenken, habe ich neulich gelesen. dem/r anderen ein
getränk, das den durst stillt - auch im übertragenen sinne! -
ausschenken!!!! oder: von meinem überfluss, von mir teilen... das
bild vom gefüllten krug, es gefällt mir... aber eben: schenken
dann, wann ich es spüre und will, nicht dann, wann die wirtschaft
(ähm, sorry, :-) meine natürlich: der kalender...) es mir
vorschreibt...
ob
ich lars um weihnachten rum mehr oder weniger vermisse? ich weiss
es gar nicht. das vermissen ist eh immer mal so, mal so. manchmal
brauchts nur einen hauch von erinnerung, eine melodie im
hinterkopf oder aus dem radio irgendwo, und ich denke an ihn und
muss (oder darf) weinen.... dann wieder gibt es zeiten, wo das
vermissen einfach eine 'tatsache' ist.
weihnachten
mit lars? war für mich das blicken aus der (uns erwachsenen
verloren gegangenen) kinderperspektive auf all die lichter und
träume... noch nicht gekoppelt mit ent-täuschungen über nicht
passende geschenke... ja, manchmal hab ich - weil lars eben
(noch?) gar nicht so materiell drauf war - gedacht, dass ich bei
ihm gar nicht beim geschenke-rummel mitmachen will... claudio*
dachte auch so. so hatten wir halt einfach viel kerzenlicht gehabt
in jenen tagen. sogar einen christbaum mit schönen, aber leeren!,
dekogeschenken drunter!
für
mich ist eben die zeit um weihnachten vorallem das feiern des
lichts. das ende der dunklen zeit: sonnwende!!!! und doch, auch
ich werde ein bisschen sentimental und denke, dass es doch in der
kindheit einfach schöner war... naja....
(1
ja, das ist eine absichtliche umkehrung!!!!)
dienstag,
30. november 04
ich
habe am sonntag bei einem familienstellen (wo andere menschen
meine familienmitglieder stellvertretend darstellten) eine sehr
schöne erfahrung gemacht: ich durfte lars endlich die
abschiedsumarmung, die mir immer 'gefehlt' hatte, geben.
bereits
am samstag auf dem friedhof - ich hatte freundInnen in bern
besucht - spürte ich, dass es bei mir wieder noch mehr um
abschied nehmen geht. schon dort spürte ich, wie ich einfach noch
mehr loslassen soll - nicht als schikane, sondern zum heiler
werden! ja, loslassen. und zwar nicht in bezug auf meine liebe zu
lars, aber in bezug auf meine zukunft: lars ist nicht meine
zukunft, jedenfalls nicht der physisch anwesende lars. zwar
kann mir niemand lars ersetzen, aber ich gehe hier auf der erde,
ohne seine körperliche anwesenheit, weiter. ich konnte und kann
lars danken für seine anwesenheit, seine nähe, die ich noch
immer weiss und wahrnehme. aber eben auch: ihn verabschieden. und
ich weiss, dass ich damit wieder ein bisschen mehr heilung
erfahren darf.
donnerstag,
25. november 04
immer
wieder werde ich gefragt, was ich eigentlich über das leben und
das sterben denke. ja, es ist schon so: meine spiritualität ist
für mich sehr wichtig, aber sie darf nicht abgehoben sondern muss
alltagskompatibel sein. was früher in meinem leben mehr so 'theorie'
war oder philosophie, ist seit dem tod von lars lebbar geworden,
für mich 'wahr', hilfreich und lebendig, auch in krisenzeit
beständig. was ich glaube ist meine persönliche mischung, die
kann ich niemandem überstülpen. mein 'wichtigstes wissen' ist
das, dass sich alles verändert und dass alles miteinander
zusammenhängt. auch habe ich, was ich heute glaube, weniger durch
bücher als durch erfahrungen gelernt, erkannt... und doch gibt es
schon das eine oder andere buch, das mir gut getan hat! vorallem
die bücher von luisa francia. luisa habe ich schon vor einigen
jahren in frauenritual-seminaren kennengelernt und gesehen, dass
sie authentisch ist, lebt, was sie sagt und denkt. ihre bücher
haben mir immer wieder den mut zum weiterleben gegeben. nicht nur
als trauernde mutter, sondern auch - und vorallem - als frau bin
ich sehr dankbar über ihre klare weltsicht: mit humor und
selbstkritik, mit beherztheit und engagement macht sie mut,
eigenständig zu leben.
mehr
über sie auf www.salamandra.de,
wo auch ihre bücher zu finden sind.

zum bestellen auf buch klicken!
dienstag,
16. november 04

statt
hände flügel....
gestern
war der wald noch schöner als sonst! sonnenstrahlen! wie ein kind
fühle ich mich manchmal, riechen, spüren... zwischen den bäumen,
neben den wegen, über die knisternden blätter waten und
mich an den strahlen der sonne freuen. bin auf die erde gelegen
und habe in die wipfel geschaut, wie ich es als kind machte -
warum auch nicht! lars habe ich ganz nahe gespürt...
mich erinnert an unsere täglichen herbstwald-ausflüge. die
rutschpartien auf dem hosenboden über die mit laub bedeckten
abhänge...
dann,
zurück zuhause, habe ich endlich den ton hervorgeholt, den ich
mit lars fünf tage vor seinem tod noch so lustvoll bearbeitet
hatte. wir hatten damals gepflotscht, weil der ton eingetrocknet
war und mit wasser neu gewässert werden musste. diesen ton habe
ich nun - wie damals, da ich ihn seither nicht mehr angerührt
habe - wieder gewässert und voll wonne geknetet. habe lars lachen
über meine sinnliche freude an diesem so einfachen vergnügen
gespürt. ich möchte aus diesem ton etwas fürs grab kreieren.
brennen lassen. aus dem feinen ton, den ich noch immer habe, ist
ein ton-engel mit einem lausbubengesicht entstanden. ich glaube,
lars freut sich über meine kreativen ideen, die ich zur zeit
habe. auch sonst geschieht so viel - innerlich und äusserlich,
viele gute kontakte, zu neuen und zu bekannten menschen...
heilsames, wohltuendes!
mittwoch,
10. november 04

unser
frauentreffen war diesmal sehr erdig - ist es zwar immer, finde
ich. wir haben ton bearbeitet. ohne ziel, oder war es einfach eine
art selbstdarstellung? spüren, was der ton in meiner hand für
eine gestalt findet. eine sehr sinnliche erfahrung. meins
war zuerst eine kugel, danach eine runde schale, die darauf vier 'ecken'
bekam. ich gebar eine art höhle, eine offene höhle. wie eine
orchidee, ein 'löiemüüli' - offen, aber doch
geborgen, geborgen, aber doch offen... eine schöne erfahrung, die
mich dann am montag und dienstag zu malen verleitet hat... habe
zum glück mal wieder so einen kreativen schub und denke, dass ich
diese erfahrungen für das trauer-album, das wir als
folge der trauerseminar-arbeit zu machen beschlossen haben,
verwenden werde.

trauerberg
die sehnsucht
nach heilung
und licht... das braune erdige ist nicht einfach schlecht, weil
'unten', und das 'oben' ist nicht einfach darum 'gut', sondern
durchdrungen.... beides ist wichtig... beides gibt mir
geborgenheit...

frau
der erde - hügel - bin ich
liege hier
zerrissen
gerissen
aus meine mitte
du - mein sohn
in
meiner mitte
explosion
blut
lavagleich
feuer
feuerball
sonnenaufgang
wandelt
tröstet
heilt
mein wundes herz
©
by dm/Jana
sonntag,
31. oktober 04
bin
zurück aus dem trauerseminar-nachtreffen und bin nun, nach einem
heissen bad, wieder zuhause gelandet. (das
seminar bei dr. jorgos canacakis - vor einem jahr - war so
nachhaltig, dass wir teilnehmenden beschlossen haben, uns zum
nachbearbeiten zu treffen. das nächste seminar für trauernde
eltern findet im februar 05 statt, bitte hier klicken für infos!)
ja,
es war wirklich sehr gut, intensiv und auch spannend. mit von der
partie waren auch die zwei ziemlich frischgeschlüpften buben zweier paare, die zuvor ihre töchter
vor oder nach der
geburt verloren haben. wir haben uns zuerst mal hingesetzt um zu
schauen, was wir für bedürfnisse haben. zuerst war das bedürfnis
nach einer befindlichkeitsrunde, wer was in diesem 'jahr danach'
erlebt hat. war schon recht persönlich. für die meisten ist im
nachhinein der todes ihres kindes wie eine art initiation
gewesen.
auf
einem schönen sonnigen spaziergang gab es dann zeit zum
persönlicheren austauschen. an einem wirklich schönen platz im
wald - auf einer lichtung - haben wir dann ein naturmandala, eine
art altar aus naturgaben (blumen, äste, zapfen etc.) gelegt,
wunderschön, und sind da lange in der stille gewesen, einer stille,
in der wir unsere kinder sehr nahe gefühlt haben. nach dem
angeregten znacht wieder im gruppenraum haben wir dann über
einige ausgewählte fragen vom fragebogen, den wir jorgos
abliefern sollten (damit er die nächsten seminare spezifischer
vorbereiten kann) ausgetauscht. war recht intensiv. das gespäch
über das 'album', das wir, als weitere aufgabe für uns (aber
auch für die auswertung wichtig!) zu gestalten beschlossen haben,
wurde dann auf heute, nach dem zmorge, geschoben. heute eben tauschten wir uns über die hindernisse für die arbeit am
diesem album
aus: ist es angst vor neuem schmerz? sind wir überfordert von der
vermeitlichen aufgabe, 'schreiben' zu müssen undundund. wir kamen
darin überein, dass die aufgabe ganz frei anzupacken ist, denn
wir machen es ist ja primär für uns, nicht für jorgos und
franziska. jorgos möchte allerdings auch 'material' von uns, um
es für
ein buch für verwaiste eltern verwenden.
nachher
sind wir nochmals zum waldmandala und haben kerzen für unsere
kinder angezündet, einen gruss oder wunsch ausgesprochen und die
kerzen nacheinander in den kreis gelegt. das war sehr berührend.
mit einem schlusslied haben wir das treffen beendet. die kerzen
haben wir mitgenommen, um sie zuhause weiterbrennen zu lassen.
obwohl es gewindet hat, haben alle kerzen gebrannt, bis wir sie
wieder hochgenommen haben.
ich
fühle mich beschenkt, aber auch ausgekotzt. wir alle haben viel
von uns gezeigt und das zusammensein war von vertrauen und
mitgefühl geprägt. wie eine gemeinsame geschichte doch
verbindet!
dienstag, 19. oktober 04
als ob das leben
selbst mich prüfen würde, ob das, was ich schreibe, auch stimmt?
als ob das leben selbst schauen will, ob es mir ernst ist, dass
ich den schmerz zulassen will! am wochenende war ich mit
verschiedenen familien - will auch heissen: mit verschiedenen
kindern, vorallem in lars' alter! - zusammen. an sich schön!
alles grosse und kleine menschen, die ich sehr gerne habe. aber es
war, gelinde gesagt, schlimm. schon lange nicht mehr hatte ich so
einen starken verlustschmerz gespürt wie in den letzten tagen.
verlust nach familie, verlust nach lars. verlust. lücke. schmerz.
gut, dass ich darüber reden konnte, reden kann.
zwar wird dadurch
die wunde nicht kleiner, aber geteilter schmerz ist besser zu
ertragen. und immer wieder erlebe ich durch diese homepage, dass
menschen zurückmelden, wie ihnen meine offenheit gut tut. danke
für diese rückmeldungen!
und dennoch: wer
ein kind geboren hat, weiss es: es gibt dinge, die wir einfach
alleine (wenn auch mit hilfreicher unterstützung) tun müssen.
gebären gehört dazu. und auch die trauer gehört zu diesen
dingen, die sich nicht abkürzen lassen! und ich wünsche mir,
dass unsere gesellschaft die trauer wieder integriert. dass wir
uns trauen zu trauern, sei es um verstorbene oder auch um andere
wunden, schmerzen und verluste!
freitag, 15. oktober 04
diese woche habe
ich durchs lesen verschiedener bücher das thema ‚dekadenz
unserer „verweichlichten“ gesellschaft’ (habe literatur aus
pakistan/kinderarbeit und südafrika/apartheid gelesen) so nahe
wie schon lange nicht mehr an mich ran gelassen. tja. schmerz ist
ein zentrales thema unserer gesellschaft. oder auch:
schmerzverhinderung. oder schmerzverdrängung. klar, wir alle
wollen nicht leiden. ich nehme das so wahr, dass wir immer wieder
in jene falle tappen, den fokus auf unserem schmerz zu haben. sei
es bei unseren körperlichen, chronischen oder auch ‚nur’
temporären, oder aber bei unseren seelischen wunden. und wir
suchen nach methoden, den schmerz auszuschalten.
ich frage mich
grad, ob das der weg ist, der uns wirklich heilt? klar, ich plädiere
nicht dafür, schmerz zu suchen, dennoch frage ich mich, ob wir
uns – vor allem beim seelischen schmerz, wie es der tod unseres
kindes oder ähnliches hinterlässt – da nicht einen bärendienst
tun?! schmerzvermeidung durch ablenkung oder betäubung ist doch
nur ein verdrängen. ähnlich wie mit der angst. wenn wir vor ihr
fortlaufen, wird sie grösser und immer unfassbarer. wenn wir
durch den schmerz, durch die angst, oder was auch immer?,
durchgehen, nehmen wir dem schmerz seine macht. wozu schmerz
dient? will er uns auf ein ungleichgewicht aufmerksam machen?
vermutlich. klar, das ziel ist gesundheit, ist - vermutlich - die
schmerzfreiheit? im buch ‚oskar und die dame in rosa’ (das
tagebuch der letzten tage eines krebskranken zehnjährigen buben)
habe ich erkannt, dass wir auch im schmerz drin den fokus auf das
‚ja zum leben’ richten können. und das will ich. denn gerade
in der letzten zeit ist wieder viel schmerz da, schmerz über den
mangel. den mangel an ‚lars’. das grosse vermissen. aber wenn
ich nun immer auf die lücke schaue, statt auf das was auch noch
da ist, verliere ich die bodenhaftung. und die will ich, solange
ich dieses leben lebe, behalten. hier und jetzt will ich leben.
mittwoch, 13. oktober 04
die
tage sind grau, die nächste kühl oder schon fast kalt und ich
lebe meine tage wie in einem seltsamen traum. mein langsames tempo
wird durchbrochen von verschiedene aktivitäten (massieren,
webdesign bei freunden, organisieren eines pflegheimplatzes für
unsere tante undundund). daneben schreibe ich bewerbungen und
frage mich, wie so oft, wie mein leben sich wohl weiter
entwickelt. es gäbe so viel arbeit. und doch bin ich irgendwie
auch nicht in der lage, mich ehrenamtlich irgendwo zu
verpflichten. die vorteile dieses jetzt-zustandes ohne grosse
verpflichtungen? ich lerne mit mir zusammen zu sein.
der
austausch mit meinen freund/innen, die zum teil ja auch ein kind
verloren haben, ist noch immer not-wendig, ich sehe die vielen
arten, wie menschen trauern können. und ich glaube, dass das
"wie?" nicht so wichtig ist wie die tatsache, dass wir
unsere trauer überhaupt zulassen und uns den platz dafür nehmen!
ich
lerne, das sein als ebenso wertvoll wie das machen zu erkennen,
muss aber schon sagen, dass das nicht immer leicht ist!
montag, 27.
september 04
gestern
war ich im zweiten 'kurs für mediale entwicklung' bei claudia
zeier (siehe: www.zeiko-center.ch),
die mir mit ihrer medialen arbeit im august (siehe eintrag vom 5.
august) durch den mit clauido* und lars erlebten kontakt sehr viel
heilsames ermöglicht hat auf meinem trauerweg. irgendwo habe ich
mal die worte 'sich gesund trauern' aufgeschnappt. irgendwie bin
ich immer mehr davon überzeugt, dass wir ohne trauerarbeit (ob da
nun jemand gestorben ist oder ob wir einfach ganz alltäglichen
schmerz verarbeiten) nicht heil werden können.
im
gestrigen kurs hatte ich das 'vorrecht', dass die gruppe für mich
eine sitzung machte. ich durfte viel trost aus den ermutigenden
worten und gesten, bildern und begegnungen mit meinen verstorbenen
ahninnen erfahren. dass sich eine mir unbekannte grossmutter (sie
starb vor meiner geburt) sehr nachdrücklich an mich wandte, war
eine trostvolle ermutigung für mich. auch claudio* zeigte sich
mehrfach ziemlich deutlich und war leicht zu erkennen. seine
liebe, die er durch gesten und worte ausdrückte, sind balsam für
mein herz und lassen mich leichter den weg des verzeihens gehen.
denn
das leben als eine mutter, die ihr kind verloren hat, dass wissen
alle betroffenen genau!, ist alles andere als einfach. immer
wieder ist da - trotz allem heilsamen - diese leere, dieses loch
in der physischen welt, dass mein sohn zurück gelassen hat! aber
es ist nicht selbstmitleid und auch nicht das mitleid meiner
mitmenschen, dass am meisten hilft. es sind wir selber, die wir
uns entscheiden, weiter zu gehen. mit dem schmerz der trauer.
dienstag, 21.
september 04
mein
leben fühlt sich wie das wetter draussen an,
unbeständig, also wie gehabt. ich habe in den letzten wochen sehr
intensiv am buchprojekt (siehe eintrag vom 18. august 04)
gearbeitet, dass ich ja schon seit vielen monaten angebrütet
hatte. und nun ist es soweit, dass ich es - jedenfalls einen
repräsentativen teil davon - einem verlag vorlegen kann. ich habe
es nun ausgedruckt und möchte es jetzt auf die post bringen! es
brennt mir unter den nägeln. selbstzweifel. überhaupt: in mir
ist eine spannung, die mich recht hudelt. wohl wegen dem buch,
aber auch, weil ich mich in einem rechten umbruch fühle. ich habe
eine mediale grundausbildung besucht am samstag und dabei gemerkt,
dass ich wirklich lernen kann, meine 'innere stimme' als die
stimme meiner spirituellen helfer besser zu hören. es war eine
sehr gute erfahrung.
donnerstag, 9.
september 04
in
letzter zeit kommt mir immer wieder ein text von rilke in den
sinn:
ich
lebe mein leben in wachsenden ringen
die sich über die dinge ziehn.
ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn!
ich
kreise um gott, um den uralten turm,
und ich kreise jahrtausende lang.
ich weiss noch nicht, bin ich ein falke, ein sturm,
oder ein grosser gesang?
das
entspricht so meinem derzeitigen lebensgefühl. diese luftleere
des raumes, der mich umgibt... diese gegewärtigkeit, dieses leben
im jetzt, all die nahrhafte stille des alleinseins mit mir, all
die lebendigen farben im zusammensein mit anderen...
und
doch! im rückspiegel manchmal die kleine angst vor dem ewig
gleichen. dieses gefühl, schon lange an einer ampel mit rotlicht
zu stehen und auf die grüne phase zu warten, die nicht kommt...
ich übe mich mit geduld, wissend, dass mein glück oder unglück
letztlich nicht von äusseren umständen (wieder eine
arbeitsstelle zu haben, zum beispiel) abhängt... aber eben...
dienstag, 31. august 04
Des
Todes rührendes Bild ist
nicht Schrecken dem
Weisen
und
nicht Ende dem Glaubenden
Autor mir unbekannt
vor
einigen tagen ist elisabeth kübler-ross gestorben. mein erster
gedanke war: jetzt ist sie im licht, da, wo sie so viele menschen
hin begleitet hat. dank ihren büchern und ihrer intensiven arbeit
ist dem tod in den letzten jahren viel an seinem tabu-gehalt
genommen worden. ich bin dankbar für die anregungen und den trost,
den ich aus ihren büchern ziehen durfte. einige
bücher sind auf der medientipps-seite vorgestellt.
gestern war
michelle* bei mir, die heute auch einen knapp vier jährigen sohn
hätte, wenn.... wir haben uns beim seminar von dr.
jorgos canacakis kennengelernt. wie gut es tut, mit menschen,
die auch um ein kind trauern, aus zu tauschen. wir haben über die
veränderungen in der trauer geredet. wie sich die trauer
gewandelt hat, einerseits durch die persönliche trauerarbeit,
andererseits aber auch durch die erfahrungen im trauerseminar. ich
bin dankbar über die dort gemachten erfahrungen! ich bin dankbar
für die feinen menschen, die ich dort kennen gelernt habe.
manchmal staune
ich, dass ich ausgerechnet durch die auseinander-
setzung mit dem thema tod - von lars, von claudio* und auch ganz
allgemein - mehr lebensbejahung, mehr bewusste hinwendung zum
leben gefunden habe!
mittwoch, 18. august 04
mir geht es recht
gut. ich realisiere, dass die trauerarbeit, die ich im letzten
jahr gemacht habe und noch immer tue, gelingt. dass ich heilung
erlebe, erlebt habe.
immer wieder haben
mir menschen mut gemacht, meine erfahrungen zu veröffentlichen.
ich habe mich dann jeweils mit der ausrede heraus gewunden, dass
ich das doch mit der homepage tue. in letzter zeit wurden die
inputs immer häufiger, so dass ich sie endlich ernst zu nehmen
begann. ob daraus ein buch entsteht, wird sich zeigen. aber ich
spüre bereits, wie ich beim sammeln 'gewinne'. wie ich, durch das
schreiben und das zusammenfassen meiner erfahrungen, meiner briefe
an lars und meiner tagebucheinträge, mir selber über die
schultern blicke und feststelle, dass sich so vieles in meinem
leben zum guten gewendet hat. zwar bin ich noch immer auf
stellensuche. aber ich bin motiviert. motiviert zu leben und hier
meinen platz zu finden. mein buch soll, wie diese webseite, einen
mutmachenden, lebensbejahenden charakter haben. als arbeitstitel
habe ich 'statt händen flügel - wenn ein kind stirbt' gewählt.
denn das einzige, was sich verändert, wenn jemand stirbt, so
glaube ich es jedenfalls, ist die daseinsform. aus händen werden,
bildlich gesprochen, flügel. die seele wird leicht, wird von
materie befreit. aber die liebe ist unwandelbar, bleibt für immer
bestehen!
mittwoch, 11. august 04
der besuch beim
medium klingt nach. ich spüre die heilende kraft der begegnung
mit claudio* und lars. sein 'freispruch' an meine adresse ist für
mich balsam! wie eine rehabilitation! zwar habe ich ja im letzten
jahr sehr daran gearbeitet, mich von diesem schuld-trauma zu lösen,
und ich denke ich bin heiler geworden (keine frage!), dennoch: es
ist für mich wie eine versöhnungstat von ihm, als würde er mir
die hand reichen und endlich einsehen, wie es 'objektiv' war, nämlich
dass er es war, der eine verschobene sicht des lebens hatte
und die auf mit projziert hatte! es sind offenbar weniger die
fakten des mediumbesuches als diese seine haltung, die mich
entlasten. im wörtlichen sinne! und es lässt mich immer mehr
versöhnend über ihn denken und fühlen.
vorgestern ist
seine mutter gestorben, die ich hier josefine* nennen will. ihre
gesundheit war schon lange sehr beeinträchtigt und sie lag die
letzten wochen auf der intensivabteilung. wegen einer
lungenembolie an der 'herzmaschine' angeschlossen. für sie freue
ich mich sehr, dass sie endlich loslassen und gehen konnte. nun
wieder mit claudio* und lars zusammensein kann. sie war eine sehr
sensible, aber auch depressive frau, ich habe sie gemocht. für
die zurückgebliebenen empfinde ich mitgefühl und mit-trauer.
doch für sie spüre ich erleichterung. das leiden ist zu
ende. das leben geht weiter. überall.
nun noch ein
bisschen werbung in eigener sache: ich beginne sobald wie möglich
(vermutlich ab nächster woche) mit massieren:
ganz- und
teilkörpermassagen. in aarau,
in der nähe des bahnhofes.
interessent/innen
finden detailierte infos auf dem flyer
(hier klicken!).
donnerstag, 5. august 04
in letzter zeit
habe ich realisiert, dass ich das leben auch ohne antworten auf
alle fragen leben kann. oder besser gesagt, dass ich damit leben
kann, dass sich fragen für mich temporär immer wieder anders
beantworten lassen und dass ich nicht 'endgültige' antworten
brauche, um leben zu können. gerade in den endgültigen antworten
ist auch das potential zu fundamentalismus und dogmatismus. da ich
nicht einen absolutistischen und alleinseligmachenden glauben
habe, sondern ahne, dass wir alle(!), die wir auf der suche sind,
nur immer einen teilausschnitt erkennen können, ist mein herz
offen für verschiedene lebensarten.
mein persönliches
'bild vom himmel', das ich 'sommerland' nenne, ist schon lange
kein 'jenseitiges' mehr. dort, weit oben, weit weg, der himmel,
das paradies.... nein, glaub ich persönlich nicht. ich glaube,
dass die verstorbenen sich überall aufhalten können, hier und
jetzt, dort, in der zukunft, in der vergangenheit. dass sie aber
nach wie vor diese sich entwickelnden seelen sind und nicht
einfach - zack! - heilige. deshalb glaube ich persönlich eben
auch an den sinn der reinkarnation. wenngleich ich trotzdem mein
leben hier und jetzt leben will, ungeachtet der vergangenen und
zukünftigen ebenen: ich kann nur hier und jetzt dieses mein
jetziges leben leben!
am 22. juni habe
ich ja über den geplanten besuch bei der als medium arbeitenden
frau zeier geschrieben. gestern war ich bei ihr. wer mehr über
ihre arbeit wissen will, besuche doch ihre seite. da ich sehr positiv von
ihrer sozialkompetenten und authentischen art - als mensch und als
medium - angesprochen bin, empfehle ich trauernden eltern einen
solchen besuch sehr gerne, da es mir wirklich sehr geholfen hat!
hier die homepage
nochmals: www.zeiko-center.ch
ihr
buch, 'die andere verbindung' wird auf der medientipps-seite
vorgestellt.
mein besuch bei ihr
war ein intensives gespräch mit claudio*, der mich über die
näheren umstände der explosion aufklärte, über seinen eigenen
zustand sprach und mir von seinen schuldgefühlen erzählte. sein
hauptanliegen an mich, war die bitte, dass ich ihm verzeihen
möge, dass er seinen und auch lars' tod verursacht habe. 'das sei
so nie seine absicht gewesen!' diesen satz hatte er mir praktisch
auf die gleiche art knapp zwei wochen nach dem unglück im letzten
sommer persönlich gesagt, denn auch ihn, nicht nur lars, habe ich
seither schon wiederholt reden gehört. aus frau zeiers
beschreibungen, die von mir ja nichts wusste, war es ganz leicht,
claudio* zu erkennen. an den begebenheiten, die er ihr zeigte, war
mir klar, dass das nur er sein konnte, und ich spürte, in allem
traurigsein, doch auch seine liebe, die ihn bewog, mir das leben
mit seinen aussagen zu erleichtern. besonders hilfreich war für
mich, dass er betonte, dass ich das ganze nicht hätte verhindern
können ohne mich selbst in gefahr zu begeben. ich gehöre auf die
erde, hätte noch was zu tun... etwa so, also ähnlich wie auch
die aussagen von lars zu früheren zeitpunkten.
lars beschrieb sie
sehr treffend und ziemlich
genau, sowohl vom äusseren (blonde krause haare, feine gesichtszüge)
als auch vom charakter (sensitiv, einfühlsam, weise, reif). und
er sei direkt vor mir, halte mich an den knien. ich habe ihn schon
beim betreten des raumes gespürt, leider nicht durch physische
wahrnehmung, aber einfach da, rechts neben mir. er lasse mich
wissen, dass er mich sehr lieb habe und dass es ihm gut gehe. dass
er sich sehr freue, wenn es mir gut gehe und wenn ich lache, liess
er mich heute morgen, beim erwachen, wissen.
ich hoffe, ich kann
mit meinem erlebnis anderen trauernden eltern mut machen,
vielleicht auch mal ein medium aufzusuchen oder sich mit dem thema
auseinander zu setzen..., das buch von frau zeier ist dabei
besonders hilfreich!
donnerstag, 29. juli 04
mir gehts
wieder besser. ich merke, dass ich angekommen bin hier in
a.. was heisst schon 'besser'? ob andere menschen, die ein
kind verloren haben, wohl auch dieses komische gefühl
haben, wenn sie mal einige stunden, einen tag, nicht an
ihr gestorbenen kind gedacht haben: eine mischung aus
schlechtem gewissen und 'erleichterung'... eine art
hoffnung auch, dass der schmerz also doch nicht immer so
schwer sein wird? und in diesem hoffen dann doch auch
wieder dieses komische schlechte gewissen. dieses 'aber
ich darf doch gar nicht wieder glücklich sein!'
eigentlich habe ich diesen prozess abgehäkelt gemeint...!
denn im trauerumwandlungsseminar im herbst (bei
dr. jorgos canacakis) habe ich lars' stimme ganz klar
vernommen: 'mama, dein platz ist auf der erde, wo du gut
und glücklich leben sollst!' ich weiss, dass ich mit
pessimismus niemandem NIEMANDEM einen gefallen tue. lars
nicht, mir nicht....
und doch: es ist wirklich
vom grundgefühl anders in mir geworden! ich stelle fest,
dass ich mich innerlich verändert habe. wenn ich in
meinen tagebüchern lese (von 'früher', aus der zeit mit
claudio*, als ich selber oft am lebenssinn zweifelte und
das leben an sich mehr schwer als lebenswert fand), dass
ich diese alten gefühle kaum mehr 'abrufen' kann. nur so
theoretisch weiss, wie ich mich damals gefühlt habe. so,
als würde mir jemand von sich erzählen. klar, ich kann
es mir schon 'vorstellen', aber es ist nicht mehr mein
gefühl! und das macht mich sehr froh! zumal ich ja jetzt
rein theoretisch mehr grund für solche no future-visionen
hätte: ohne meinen sohn zu leben, ohne arbeitsstelle...
dafür habe ich in mir
eine liebe zum leben entdeckt, und eben sogar lebensfreude
immer mal wieder... und das wertschätzen all meiner
freund/in/schaften... irgendwie kaum nachvollziehbar, dass
es mir so geht... so gut geht... also, ich meine damit
einfach dieses 'grundlebensgefühl'. auch wenn es mir auch
immer mal wieder besser oder schlechter geht, aber soooo
schlecht, also so, dass das grundzeichen vor meinem leben
ein 'minus' ist (mathematisch gesprochen), eigentlich
nicht mehr... nicht mal - trotz krise - um den jahrestag
rum. dafür bin ich seeeehr dankbar!
freitag, 23. juli 04
noch immer spüre
ich eine schwere, aber sie hat einen anderen geschmack bekommen.
ich realisiere - alleine oder im gespräch mit anderen - wie sehr
meine lebensaufgabe mit dem leben von lars verbunden war. meine
identität irgendwie auch. lars' mama zu sein, war mein beruf!
klar, diese erkenntnis ist an sich nichts neues, aber gefühle
haben ja immer wieder eine andere 'dimension', werden vor einem
anderen hintergrund wahrgenommen.
an den abenden
lerne ich anatomie für die zweite prüfung, die ich in zwei
wochen ablegen werde. sie bildet dann den abschluss meiner
'klassische ganzkörper-massage'-ausbildung, die ich - als
einstieg quasi für allfällige weitere ausbildungen in diese
richtung - absolviert habe. (die mündliche und die praktische
prüfung sind sehr gut gelaufen.)
nun versuche ich
mich mit medizinischen begriffen anzufreunden und die
übergeordneten zusammenhänge von mitochondrien und ribosomen,
von lymphdrüsen und blutplasma zu verstehen. je mehr ich mich mit
dieser materie auseinander setze, desto faszinierender wird es
für mich. was alles verbindet (oder fast alles....) ist der
zellkern....
das bild des
körpers, auf mutter erde übertragen, ist ein geniales gleichnis...
alle haben ihre aufgabe, sind zwar anders, haben aber die gleiche
grundinformation, nämlich zum gedeihen des ganzen organismus
beizutragen. ob es deshalb (glaubens-)kriege gibt? weil die
nierenzellen behaupten, auch die zellen aus dem mittelohr müssten
doch eigentlich zur blutfiltration beitragen? ooops, da wird's
dann sehr philosophisch!!! und dann merke ich: abolute wahrheiten
kann es gar nicht geben, weil jeder nur aus seinem blickwinkel
einen teil des ganzen sehen kann.... gefährlich wird's dann, wenn
wir unser wahr-nehmen als wahr, als absolut wahr nehmen!!! und
drum glaube ich, dass alles seine berechtigung hat, denn das
anderssein durch unsere grundbauweise rechtfertigt unsere
verschiedenen wahrnehmungen! die zwar wahr, aber eben nicht alles,
nicht absolut sind.... und auch das ist nur ein ausschnit, mein
ausschnitt, den ich für wahr halte.... :)
darum: wir alle
brauchen einander...!!! dabei spüre ich: ich will in dieser welt,
in diesem organismus mit meinen talenten ENDLICH(!) meinen (arbeits)platz
finden... naja, der arbeitsmarkt ist ausgedorrt... zum glück kann
ich für einen tag in der woche (oder anderthalb) einen
massageraum mit-mieten, sollte mich endlich an die aufbau-arbeit
machen... und doch: es ist eine art lähmung... der zündende
funke fehlt.... warte ich auf den 'brief vom himmel', was ich mit
meinem leben anfangen soll? nicht wirklich, denn wir sind zur
eigenverantwortung berufen.
donnerstag, 15. juli 04
three days after...
irgendwie kann ich, was ich fühle, nur schwer in worte fassen. es
ist eine kaum beschreibbare kraftlosigkeit und schlappheit und
erschöpfung in mir... ich fühle mich deprimiert und bin
dünnhäutig. ich weiss, dass das so sein darf. ich bin so nahe
wieder am schmerz vom letzten jahr. der verlust von lars' nähe...
so heavy...
am montag am grab
habe ich das ende des 'kleinen prinzen' vorgelesen. als ich von
der leeren hülle vorlas, die der prinz auf der erde zurücklassen
müsse, hatte ich so viele erinnerungen! an die gespräche mir
lars zuerst, als er immer diese geschichte hören wollte. ich habe
ihm erzählt, dass der kleine prinz drum soooo fest heimweh
habe... wie er denn heim gehe, hatte mein kleiner sohn wissen
wollen... eben... wie....? die hülle da lassend!!!!!
dann in der
erinnerung die szene im rechtsmedizinischen institut: wie in einem
billigen film. lars hinter glas. 'nur' seine hülle... mein bruder,
der mich hält, ganz fest, und mir sagt, dass wir hier nur die
hülle vor uns haben...
am montag auf dem
friedhof spüre ich, dass ich noch immer wegbegeleiter/innen habe,
nicht alleine lars vermisse, nicht alleine traurig bin... es ist
gut, das zu erleben. ich bin so dankbar für alle die menschen auf
meinem trauerweg! DANKE!
sonntag, 11. juli 04
morgen ist lars'
jahrestag, todestag.... ich lebe in einem sehr seltsamen
schwebezustand. schmerz ist da. trauer. akzeptieren zwar, aber
doch auch die sehnsucht, das bedürfnis, die uhr ein jahr zurück
stellen und alles ungeschehen machen zu können. wissend zwar,
dass das nicht geht und dennoch mich nach dem unmöglichen sehnen:
dass lars noch lebt. dass lars lebt. ich meine: physisch! dass er
noch immer lebt, aber einfach anders, ist für mich keine frage
mehr.
morgen werde ich
mit einigen freund/innen auf den friedhof gehen. nach bern. ich
habe im internet nach trost gesucht, nach texten, die mich und die
anderen trösten. obwohl es ja so ist, dass ich von lars noch
immer am meistens trost erlebe. in mir ist eine leere, eine
kraftlosigkeit, eine sehnsucht nach nähe zu lars. ein gefühl von
verlorenem boden. als ich im wald war am nachmittag sah ich eine
familie: mutter, vater und sohn. mama versteckte sich, junior sah
sie hinter dem baum und jubelte: 'mama, ich habe deine jacke
gesehen!' voller freude. grüsste mich mit strahlendem lachen, im
vorübergehen, unbekümmert: 'ho-oi!' als wären wir alte freunde!
er erinnerte mich so stark an lars und dessen wache offenheit,
dass ich nachher weinend weiterspazierte. solche begegnungen
zeigen mir, wie offen die wunde noch ist, wie tief der schmerz
sitzt. ob das je nachlässt? das wetter ist wie vor vier jahren:
ein kalter sommer. so habe ich lars geboren. in einer kühlen
nacht kamen die wehen. am mittag war er dann geschlüpft... ins
wasser geflutscht.... in dieser nacht, die anbricht... vor vier
jahren... erinnerungen! ihr illusionen! und doch da. immer wieder.
auch die an jene tage vor einem jahr... so nahe...
dienstag, 6. juli 04
nun wohne ich also
in a.. der umzug war zwar sehr anstrengend, aber die motivierte
mithilfe von guten freunden und verwandten waren gold wert.
auch das putzen und abgeben der wohnung ging fliessend über die
bühne.
nun bin ich also
da. in der stadt meiner kindheit... bin am 'ankommen' und fühle
mich noch immer 'zwischen den welten' schwebend. nicht mehr dort,
noch nicht ganz da. gestern war ich in bern, auch auf dem friedhof.
die trauer ist zur zeit wieder stärker, jetzt, wo ich auch wieder
mehr raum dafür habe.... jetzt auch wo das jahr sich bald
vollendet hat, seit lars und claudio* gestorben sind. zwar ist da
kaum mehr wut... aber es sind noch immer diese gefühle, diese
fragen, wie es denn jetzt wäre, wenn... dieses vermissen...
seit mein junger
kater lio bei mir eingezogen ist - vor einigen tagen erst - und
ich oft mit ihm 'schmuse', stehen mir oft die tränen zuvorderst.
wie hätte sich lars über lio gefreut! wie hätte er mit ihm
gespielt! dieses nichtmehrhaben eines zustandes, der mal war...
manchmal finde ich das einfach nur brutal!!!
ich bin froh, dass
ich immer mehr gelernt habe und lerne, die zu sein, die ich bin,
auch wenn's mir nicht so gut geht... und dass ich in einem haus,
einer hausgemeinschaft wohne, mit menschen, zu denen ich offen
sein kann. dieses sein zwischen nähe und intimsphäre, das hier
gelebt wird, passt mir. ich fühle mich sehr wohl im haus. und
doch: alles habe ich mitgenommen! meine geschichte ist auch hier
meine geschichte. und auch hier bin ich auf arbeitssuche. und auch
hier geht das leben weiter - ohne lars. dennoch ist er mir so
nahe! das ist men grösster trost, immer wieder...
donnerstag, 24. juni 04
nur kurz ein
gedanken aus dem bananenkistenland: warum kann sich ein mensch so
schnell an neue umstände, an ein provisorium gewöhnen? an ein
chaos sogar? weil da hoffnung ist, dass es sich 'irgendwann'
ändern wird? ob wir ohne diese - wenn auch oft nur klitzekleine -
hoffnung nach 'irgendwann' den tod unserer kinder 'überlebt'
hätten?
nur: ich will nicht für ein 'irgendwann' leben, sondern für
jetzt. für mich. für meine mitwelt. ich will leben. gesund
werden im herzen drin. obwohl ich mich - im countdown der packerei
- oft sehr 'lädiert' und verletzlich fühle, auch wieder diese
kurzatmigkeit habe wie letztes jahr, als lars gestorben ist...
aber eben: da ist hoffnung... heute habe ich bei den 'engelkarten'
(von findhorn) den 'engel des lichts' gezogen. es macht mich
dankbar.
dienstag, 22. juni 04
der zügeltag rückt näher...
noch vier tage hier! ich bin im packfieber... naja, fieber? doch,
ja, irgendwie fühle ich mich 'krank', müde, ausgebrannt,
traurig.... und jetzt ist es wirklich happig geworden. denn jetzt
kommen eben so die kleineren sachen dran und so vieles ist mit
lars verbunden! gestern, als ich alle bilder abgehängt habe (auch
das grosse in der stube, das ich in der kappelle an der beerdigung
aufgestellt habe) und die sachen auch wirklich auf mich wirken
liess, auch aufgehängte karten nochmals las, musste ich soooo
heulen..... auch die letzten bilder, die lars gemalt hat, den
doppel-regenbogen, und en 'wieder gesunden' regenbogen... es tut
so weh, und ich vermisse lars immer noch so sehr, und da sind
wieder so viele fragen in mir... dieses 'warum'! naja... warum
nicht! sagt eine weise bekannte... und doch...
gestern habe ich noch einen
stein, den ich vor einem monat mal für lars gemalt habe, endlich
lackiert, fürs grab: ich habe drauf geschrieben:
"lars, i
vermisse di! i liebe di und i lohne di los.
dini mama"
heute habe ich den 'legomanoggel'
mit dem lustigen gesicht, den lars vor etwa einem jahr gebaut
hat, eingepackt für den umzug. dabei ist er gebrochen (an zwei
stellen), das hat mich völlig draus gebracht und eine welle von
kraftlosigkeit und verzweiflung kam. ich merke, wie es mich
weniger körperlich als seelisch anstrengt, dieses arbeiten und
auflösen und so...
gestern war ich das dritte und
letzte mal therapie-reiten, es war sehr schön, auch getrabt sind
wir! und das alles 'freihändig', ohne sattel und ohne halteriemen!!!
ich habe offenbar doch eine mitte, ein gleichgewicht in mir!!! das
macht mir mut!
dann habe ich letzte woche
ein buch bekommen von einer schweizer frau, die medial arbeitet
und den kontakt mit den verstorbenen erlebt und deren name
mir nun durch das buch bereits das dritte mal begegnet. sie
schreibt vor allem über all die vielen fragen, die menschen an
medien haben, was sie können und wo die grenzen sind und so. auch
fallberichte, aber einfach so normal, geerdet, natürlich, ungekünstelt.
ich habe den starken eindruck, dass ich mal zu ihr gehen werde.
sie hat eine homepage www.zeiko-center.ch.
donnerstag, den 10. juni
04
gestern
abend habe ich den sternenhimmel betrachtet und so sehr an
lars gedacht. mir gewünscht, dass er mir doch zum geburi eine
gruss schicken möge .. ich habe dann zu ihm gesagt, dass ich
soooo gerne ein zeichen von ihm möchte... fast postwendend kam
seine antwort in mein herz und das hat mich so berührt... es war
so schön.
"mama,
ich bin immer bei dir, vergiss es nicht.... es ist gut, dass du
gehst (von hier, nach a. in die neue wohnung)...
meine liebe mama, ich hab dich ganz fest gern!...
es kommt gut...
vertrau......
ich bin jetzt dein engel!"
das tut gut... dennoch, als ich
heute morgen am frühstückstisch, den ich mir gestern abend mit
blumen, kerzli und den gschänklis und so vorbereitet hatte, sass
und die kärtli las, kam das heulen.... da müsste doch jetzt lars
bei mir sein!!!!!!! das vermissen!
dann sah ich sie wieder, diese
worte, die ich mir gestern nach dem erlebnis mit der
sternenhimmelbotschaft aufgeschrieben hatte....: "mama, ich
bin immer bei dir!" also auch jetzt!
vor einem jahr hab ich ihn - zum
ersten mal nach meinem umzug nach o. vier tage zuvor - in
steffisburg abgeholt und zwar ausnahmsweise in der wohnung, weil
ich noch einige sachen mitnehmen wollte... claudio* und lars
hatten für mich (und auch sich) frisches brot gebacken..... das
war herzig... das war mein letzter besuch in steffisburg, und
zugleich auch die letzte freundliche begegnung mit claudio* (so
viel ich weiss)... nachher wurde es immer schwieriger....
und einen monat und zwei tage
später dann die explosion... manchmal kommt es mir so unglaublich
vor und ich möchte den theatervorhang zufallen sehen und lars,
der von hinter den kulissen zu mir gerannt kommt..... und alles
wäre nur ein schlimmer traum gewesen..... apropos: ja, ich habe
vor zweidrei tagen einen verrückten traum gehabt von uns dreien:
ein wahres happy-end irgendwie: nämlich, dass die explosion 'nur'
ein unfall (von jemand anderem) gewesen sei und dass lars und
claudio* überlebt haben und dass claudio* ein ‚ganz neuer
mensch’, geheilt von seiner 'psychischen krankheit', geworden
war und endlich das leben gepackt hat und dass wir es gaaaaaanz
schön hatten zusammen!!!!! aber nicht kitschig, es war ein ganz
schöner traum... tja..... der traum vom glück... und doch: ich
weiss nun, dass nur ich für mein glück verantwortlich bin, kein
einziger anderer mensch!!!!!! auch nicht mein sohn!!! lars will,
dass es mir gut geht! das ist ein riesiger trost!!!!!
donnerstag, den 3. juni
04
ich bin am packen.
der zügeltermin rückt mit riesenschritten näher. ich habe mit
dem keller (gestern) und dem estrich (heute) angefangen. genau vor
einem jahr habe ich in steffisburg gepackt und gehofft, endlich
mal an einem ort bleiben zu können. 'nur wer bereit zu aufbruch
ist und reise, mag lähmender gewöhnung sich entraffen', sagt
hesse. recht hat er. aber ich glaube, so schwer wie diesmal ist
mir das packen noch nie gefallen. auf dem estrich stehen die
kisten mit den spielsachen, kleidern und der bettwäsche von lars.
ich konnte der versuchung, sie zu öffnen, nicht widerstehen. und fand
die beiden 'lars-bücher'. aus A4-bögen, die wir an der schmalseite mit
farbigen bändeln gebunden haben, entstand so
eine wachsende sammlung mit all den bildern (sei es aus der
zeitung, selbst gemalte oder auch fotos), die lars gerne 'iichläbe'
wollte....
'mama,
iichläbe!'
so oft gehört!!!
die bücher sind
eine entwicklungsgeschichte aus lars' drei jahren. das zweite buch
habe
ich hier begonnen, nach der trennung und dem umzug... vor einem
jahr also... nach lars' tod, habe ich noch jene fotos eingeklebt, die die aufräumarbeiterInnen in steffisburg aus
den trümmern retten konnten...
als ich heute diese
bücher vom estrich in die wohnung trug, war mir, als sei das
ganze eben erst passiert. die zeit dazwischen war wie ausgelöscht. ich
erinnere mich kaum mehr, dass ich diese bücher verpackt habe,
dass ich diese bilder noch eingeklebt habe.... es geht mir alles
sehr nahe, der umzug wirkt auf mich, als würde ich vor lars davon
laufen, ihn im stich lassen, ihn verlassen... und an einem anderen
ort, wo er zuvor nie war, neu anfangen. seltsames gefühl, ich
kann es nicht einordnen. ich spüre eine spannung in mir, die mich
ziemlich aufwühlt...
und doch weiss ich,
dass es not-wendig ist: der umzug. das los-lassen... habe von
melissa* eine wunderbare postkarte bekommen: zwei hände mit drei
eiern drin, darüber der satz: alles, was man über das leben
lernen kann, ist in drei worte zu fassen: es geht weiter! und das
stimmt für mich wirklich. voll!
mittwoch, den 26. mai 04
gestern war ich bei
tamara*, einer nachbarin aus der steffisburger siedlung. unsere
buben haben - noch vor kaum einem jahr - ab und zu
miteinander gespielt. für lars' grabumrandung wollte ich noch
steine holen, und zwar an der zulg - an lars' und meinem
lieblingsfluss - die ja ganz in der nähe vorbeifliesst. tamara*
und ihr dreijähriger sohn haben mich begleitet. ich war mir sehr
wohl bewusst, dass ich mit dieser idee nochmals, oder einmal mehr,
in meinen schmerzen rühre. ich war vor etwa zwei monaten, als das
explodierte haus bereits fertig wiederaufgebaut, aber noch nicht
verputzt und neu vermietet war, in steffisburg. damals fuhr mir
alles sehr ein. gestern auch wieder. nun ist das haus schon bald
einen monat wieder bewohnt, sieht aus wie zuvor und löst die
illusion aus, als sei gar nichts passiert. nur die
zufahrtsweg-baustelle erinnert äusserlich noch an die explosion.
bei mir hingegen löste jede strassenecke die eine oder andere
erinnerung an lars aus und noch immer frage ich mich, ob es denn
wirklich wahr sein kann, dass ein so junges sprudelndes leben
sterben kann!!!
wir drei haben uns
gestern also auf den weg gemacht. es war für mich sehr
aufwühlend, den herzigen sohn von tamara, der nun so alt ist, wie
lars damals, als er starb, zu sehen.... mich an ihm zu freuen - an
seinem plappern und singen und springen und plotschen - und
zugleich lars so sehr zu vermissen!!! das tat verd... weh!!!
weinen tut gut...!!!
an der zulg, an der
sonne, in den steinen, auf dem sand spüre ich die alte
verbundenheit mit diesem platz, mit diesem fluss. ich finde
schöne steine und am abend, nach der rückkehr, gehe ich zum grab
und umrande lars' gärtli... es sieht so schön aus. aber es ist
eine traurige schönheit... und ich spüre immer wieder dieses
unverständnis... trotz all der prozesse des akzeptierens.... der
schmerz ist da.

sonntag, den 16. mai 04
am donnerstag war
ich mit melina* auf dem friedhof in u., wo claudio* bestattet
worden ist. das erste mal seit der bestattung im juli 03. bis
jetzt war ich auch nie mehr in dieser gegend. zuerst wollte ich
mit dem auto gehen, habe mich dann aber sehr zerbrechlich gefühlt
und dünnhäutig am morgen. so fuhr ich mit dem zug. wie oft ich
doch früher diese strecke mit lars und claudio* gefahren bin! zu
mamama und papapa (larsisch für die grosseltern). alles fuhr mir
extrem ein. ich war irgendwie sehr verkrampft und versteinert
innen drin. auch auf dem friedhof selber. ich habe fürs grab eine
orange rose mit genommen. sie soll den eltern mein gefühl
übermitteln, dass ich da war. dass ich ihrem sohn zu verzeihen
beabsichtige. damals, bei der abdankung, habe ich eine orange rose
ins urnengrab gelegt. mit der gleichen absicht.
erst als ich wieder
zuhause war, ging es mir wieder besser, obwohl es schön war mit
melina* auszutauschen.
gestern
weiterbildung. ein anstrengender tag. schliesslich habe ich dann
am abend noch gebadet und gelesen. in einem roman aus der
bibliothek. da ist eine junge frau, die ihre mutter mit drei
jahren verloren hat. unvermittelt war ich mitten im schmerz.
wieder. ich musste das buch zur seite legen. wie eine klammer ums
herz war es. das vermissen. wieder diese szene vor dem inneren
auge: als die polizisten kamen am morgen und mir mitteilten, dass
sie lars tot gefunden haben. wieso hat er nicht irgendwie überleben
können???? hatte ich gehofft, dass sie ihn lebend fänden? oder
habe ich es gewusst? habe ich es verstanden? wirklich begriffen?
akzeptiert, dass er nie wieder kommt??? ich konnte kaum mehr
atmen.
manchmal kommt mir
mein bisheriges leben – nach lars’ tod – wie ein theater
vor. obwohl: ich spüre mich so gut, ich erlebe mich so
authentisch, ich reagiere so unmittelbar, so echt, wie ich das in
der zeit mit claudio* nicht mehr konnte, da ich ja immer auf
schadensminimierung bedacht war. und doch: alles war wie weg. das
verstehen, das weiterleben, das akzeptieren. alles wie weg. nur
noch der schmerz. habe ich mich bisher immer irgendwie am gedanken
festgehalten, dass es sich doch noch herausstellen würde, dass er
lebt? noch immer lebt?
dann die szene im
irm, als ich ihn identifizierte. wie er da lag, mein sohn. es tut
verdammt weh, immer noch, immer wieder. ich möchte weinen.
manchmal kommen einfach keine tränen. wie soll ich bloss ohne ihn
weiterleben? mit dieser narbe, mit dieser geschichte. wieso hat
lars nicht überlebt? die alten so oft gestellten fragen. und dann
ich da auch das gefühl, dass er ganz weit weg ist.... obwohl ich
ihn doch so oft so ganz nahe erlebt habe. nach seinem tod. und
manchmal hatte ich ja auch das gefühl gehabt, immer so gelebt zu
haben, als single, ohne ihn.... als sei sein erdenbesuch nur ein
traum gewesen?!
es tut weh! was
soll ich nur tun? eigentlich bin ich gerne alleine, und ich habe
jetzt auch gar nicht den wunsch, unbedingt mit jemandem zusammen
zu sein. höchstens um über lars zu reden. aber im grunde, weiss
niemand, wie ich mich fühle, wie sich das anfühlt. am ehesten
noch andere trauernde eltern, die ein kind verloren haben... aber
selbst sie wissen es nicht, so wenig, wie ich es genau für eine
andere trauernde person weiss, wie sie sich genau fühlt. es ist
wie bei der geburt von lars, als ich begriff, dass ich da nur
alleine durch kann, bestenfalls mit optimaler hilfe von aussen.
aber das gebären, das mussten lars und ich selber schaffen. und
jetzt ist es ähnlich. auch der tod ist eine art geburt....aber da
helfen mir jetzt alle erkenntnisse nicht weiter. der schmerz ist
einfach da. das vermissen. die sehnsucht, mit ihm zusammen zu
sein, zu lachen, zu spielen....
montag, den 10. mai 04
meine letzten tage
waren sehr intensiv. ich merke, wie ich - ausgelöst durch die
vielen träume mit lars und auch mit claudio* - wieder ganz nahe
an meiner 'geschichte' bin. manchmal ist es einfach nur ein
einziges grosses vermissen, trauer. aber es ist auch immer mal
wieder wut und ich merke, dass das okay ist. die wut bleibt nie
lange und ich weiss, dass ich auf einer tiefen ebene in mir drin
verziehen habe. auf meiner ganz gesunden herzebene irgendwo. aber
eben...
am samstag war ich
mit lea*, meiner schwägerin, auf dem friedhof. ich habe vor
einigen tagen im gartencenter pflanzen gekauft fürs grab. und
vier mittelgrosse weisse cachepots für die schönen dekosachen
der trauergäste. diesen teil der grabgestaltung hat dann
lea mit viel liebe und respekt übernommen. ich habe derweilen
alle die pflänzli rundum gesetzt: die vergissmeinicht, ein rotes
röseli, lavendel (waländel, auf 'larsisch') und ein hauswürzlein..
und sonnenblumen gesät... das gemeinsame arbeiten war sehr
intensiv für mich. wir haben an das jahr zuvor gedacht, als ich
mit lars bei ihr und meinem bruder in den ferien war... und die
ganze zeit hatte ich das gefühl, als würde lars neben uns stehen
und uns zuschauen und sich freuen, dass wir sein gärtli, wie ich
nun das grab nenne, so liebevoll gestalten.
vermoderte und vom
wetter transormierte sachen haben wir dem kompost zur weiteren
zersetzung übergeben, wissend, dass die energie der liebe der
schenkenden menschen längst angekommen ist... die vielen
mittelgrossen und ganz grossen steine habe ich als grabumrundung
verwendet. dann war da noch das holzpuzzle, dass ich lars vor etwa
zweieinhalb jahren ausgesägt hatte. mit seinen namensbuchstaben
und seinen handabdrücken.... es war - weil die schuztfolie von
wind und wetter - zerstört war, nicht mehr sehr schön und ich
spürte, dass ich es vom grab entfernen sollte. ich nahm es
vorerst nach hause. lea hatte dann die gute idee, dass ich es doch
- statt einfach wegzuwerfen - dem feuer übergeben könnte... gute
idee.

gestern hatten wir
frauenritual-gruppe. ich nahm das puzzle mit und übergab es dem
feuer, dass wir in einer höhle unter den wassserfällen entfacht
hatten.
dieses neuerliche loslassen ging sehr tief:
da sind so viele bilder und erinnerungen, zuerst einfach solche,
die unmittelbar mit dem puzzle zu tun haben, dann aber auch andere
und ich fühlte mich lars ganz nahe in meiner trauer. meine
tränen haben platz. die anderen frauen, zum teil auch mütter,
geben mir den raum, den ich für diesen abschied brauche und es
ist gut, wie es ist. ich bin dankbar für dieses netz von frauen,
von menschen allgemein, die mit mir ein stück weg gehen.
donnerstag, den 29. april
04
ich werde in ca. zwei monaten
nach a. umziehen und freue mich sehr auf diesen neuanfang. da
ich arbeitslos bin, suche ich nun gezielt dort eine stelle und
hoffe, dass da die beste türe für mich aufgeht.
heute nach habe ich mal wieder
von lars geträumt: es war im elternhaus. ich weiss nicht mehr,
wer alles da war, aber jedenfalls war ich mit claudio* und lars
dort. lars war etwa so alt, wie er war bei seinem tod. er war
ganz übermütig und rannte auf der terasse herum. er kletterte
auf das flachdach über der werkstatt und rannte – als ob er
fliegen könnte – drauf herum. es ging blitzschnell. ich
konnte nicht eingreifen als er - wie von einer schanze - einfach
so runter sprang, oder besser flog, und dann unten (ich blickte
erschrocken herunter) einfach weiter rannte und flog, grad noch
den terrassierten garten eine weitere stufe und dann noch eine
runter, auf die wiese, wo er immer wieder weiter hüpfte. keinen
schaden nahm, obwohl doch die werkstatt sicher drei meter hoch
ist! im gegensatz zu mir, die ich in diesem alter ja auch so
weit stürzte und beinahe starb, machte er quitschfidel weiter
in seinem spiel. als sei er unsterblich. und das ist vermutlich
die botschaft dieses traumes. die beschränkung ist nur im
physischen leib. und drum – weil er ja nicht mehr pysisch
beschränkt ist – konnnte er das machen? und ich: bin auf
beiden seiten. hier, noch physisch, und auch dort, meta-physisch...
es gibt diese trennungen gar nicht mehr.
heute habe ich gedacht, dass ich erst durch lars' tod den wert
des lebens zu erfassen begonnen habe und erst jetzt gerne zu
leben begonnen habe. schon krass. aber ich habe auch von anderen
eltern, die kinder verloren haben, ähnliches gehört.....
vom trauerseminar (jorgos canacakis) habe ich nun
auswertungs- und nachbearbeitungsaufgaben bekommen und da gibts
eine frage, die wir uns stellen sollen: wie hätte ich mir mein
leben mit dem kind weiter vorgestellt. da muss ich schon mal
leer schlucken und mich fragen: wie hätte es ausgesehen, wenn
sich claudio*alleine umgebracht hätte, ohne lars... oder aber,
wie hätte es ausgesehen, wenn beide noch am leben wären? wäre
claudio* 'geheilt' worden, dh. hätte er sich endlich
therapieren lassen? oder wäre es im gleichen stil weiter
gegangen? irgendwie kann ich es mir nicht vorstellen... eher
noch die erste variante. allerdings wäre dann ja auch der tod
claudios* zu verarbeiten gewesen, mit lars.... naja.... aber ich
glaube, dass wir es geschafft hätten.
wenn ich kindergartenkinder am
haus vorbei gehen sehe, denke ich oft, wie es wäre, wenn lars
(in einem jahr dann) mit ihnen zusammen herum getollt wäre. er
hat hier letztes jahr richtig mit freundschaften schliessen
angefangen... die kinder haben ihn vermisst und waren mir gegenüber
dann auch ziemlich verunsichert nach lars' tod. ich habe damals
oft mit der ganzen schar im sandkasten gehockt und
mitgespielt..... naja, das vermisse ich wirklich sehr: dieses
zusammensein, diese greifbare nähe zu und mit ihm...
freitag, den 23. april 04
die ruhe nach dem sturm. der
bericht ist nun in der zeitung erschienen. und obwohl ich
den text ja im voraus ein paar mal gelesen habe, war ich am
sa.-morgen beim zeitunglesen doch ziemlich erschüttert, es
nochmals schwarz auf zeitungsweiss zu lesen. uff. ja und seit die
homepage im netz ist und alles läuft, habe ich wieder zeit zum
trauern. ja, da ist sie wieder, die trauer, der verlust, der
schmerz, ... bin nun wieder aus der anspannung und 'oberflächlickeit'
sehr an die gefühle ran gekommen und es kommen ja auch reaktionen
zum artikel und zur homepage... so dass ich nicht anders kann, als
wieder bei den gefühlen zu sein, sie anzuschauen, zu zulassen,
das unterbewusste und verdrängte wieder step by step hoch an
licht lassen... ist auch gut so. alles, was ich anschaue, kann ich
loslassen, ziehen lassen. auch wenn ich im tagebuch vom letzten
frühling lese, wie es war, als ich noch in steffisburg lebte. mit
lars. mit claudio*. was ich alles ausgehalten habe... was lars
alles aushalten musste!!!!!!!!!! es tut mir leid, wie
unzulänglich wir waren. und doch: ich muss mir verzeihen, immer
wieder. habe gestern mit sophia* geredet, dass wir immer, wenn
jemande stirbt, den wir sehr geliebt haben, dieses gefühl kommt,
nicht genug, oder das falsche, getan zu haben. es ist normal, aber
ich will nicht da bleiben. mir verzeihen.
|